Trumps 28-Punkte-Ukraine-Plan: US-Realpolitik contra "Europas Wunschkonzert"
Update: 2025-11-27
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SWR Aktuell: Donald Trump und die russische Seite sehen den US-Plan positiv. Wie viel Sorgen muss uns das machen?
Johannes Varwick:Ich glaube, die berühmte Kuh ist noch lange nicht vom Eis. Die Interessenunterschiede sind doch sehr groß. Das gilt nicht nur für die Interessensunterschiede zwischen Russland und der Ukraine, sondern inzwischen, muss ich sagen, leider auch zwischen Europa und den USA. Es gibt sozusagen einen schmalen Raum, der jetzt einigungsfähig ist - und wie der jetzt beschritten wird, dieser Raum, das ist unklar. Besonders optimistisch, muss ich Ihnen sagen, bin ich nicht.
SWR Aktuell: Dann schauen wir uns mal den Fahrplan für die kommenden Tage, für die nächsten Wochen an. Der US-Sondergesandte Steve Witkoff soll in der kommenden Woche den russischen Präsidenten Wladimir Putin treffen. Das wurde aus Moskau bestätigt. Witkoff gilt als sehr russlandfreundlich. Wie groß schätzen Sie die Gefahr da ein, dass am Ende im Prinzip das Gleiche herauskommt, was in dem ursprünglichen 28-Punkte-Plan stand – also, dass Russland die Bedingungen für einen Frieden in der Ukraine diktiert?
Varwick: Ja, das ist wohl einer der bitteren Fragen, denen wir uns stellen müssen und denen sich auch die europäische Politik stellen muss: Ist jetzt die Stunde, wenn man so will, für eine „realpolitische Frontbegradigung“, oder kann man weiter Hoffnung und „Wunschkonzert“ machen? Und ich glaube, die Amerikaner – wenn die Amerikaner einig sind, das weiß man auch nicht so genau, da gibt es ja sehr unterschiedliche Lager, etwa zwischen Witkoff und Rubio, dem Außenminister – aber wenn sozusagen jetzt die Stunde einer „realpolitischen Frontbegradigung“ wäre, dann würde das heißen, dass man sehr bittere Pillen schlucken muss.
Aber die Amerikaner haben, glaube ich, klargemacht, dass sie drei Dinge wollen: Sie wollen erstens, dass der Krieg aufhört und zwar sehr schnell. Sie wollen, dass ein Plan entwickelt wird, der sowohl für Russland als auch für die Ukraine akzeptabel ist. Und drittens wollen sie, dass die Wahrscheinlichkeit einer Neuaufflammung des Krieges nach einer realpolitischen Lösung minimiert wird. Das sind, glaube ich, die Linien. Und wie das erreicht werden kann, das ist strittig. Die Europäer machen nach wie vor gewissermaßen Maximalpositionen an der Seite der Ukrainer, und die Amerikaner wollen Russland einen Schritt weit entgegenkommen.
Und Sie haben das gerade in ihrer Frage angedeutet: In Europa wird das mehrheitlich als Einknicken vor einem Aggressor gewertet, als das Unterzeichnen einer Kapitulationsurkunde. Die Amerikaner sehen das aber ganz anders. Das sind jetzt die Streitpunkte, um die es geht. Und da ist man noch nicht wirklich vorangekommen.
SWR Aktuell: Wie gefährlich ist diese Entwicklung, die Sie da gerade skizzieren, für die Sicherheitsinteressen hier in Europa?
Varwick: Das ist schon sehr gefährlich, in mehrfacher Hinsicht. Es wird ja jetzt zunehmend etwa von Herrn Röttgen oder Herrn Kiesewetter, also den führenden Außenpolitikern in der CDU, von einer Art „Zeitenwende 2.0“ gesprochen. Und sie meinen damit, dass jetzt angeblich klar geworden ist, dass die Amerikaner nicht mehr an der Seite Europas stehen, sondern sich quasi abwenden von europäischer Sicherheit und eine Lösung mit Russland um jeden Preis wollen. Und wenn das so wäre, dann wäre das natürlich gefährlich. Ich sehe das aber nicht ganz so. Ich sehe das eher so als den Versuch der Amerikaner, jetzt mit realpolitischem Kompass das Mögliche zu erreichen. Und die Europäer haben im Prinzip nichts Besseres zu bieten, weil – ich muss das so deutlich sagen – sie nach wie vor „Wunschkonzert “ machen und sie gewissermaßen wertegeleitet Maximalpositionen vertreten, die natürlich in der Theorie gut sind: Niemand will, dass Grenzen mit militärischer Gewalt verschoben werden. Niemand will, dass Staaten kein Recht auf freie Bündniswahl haben. Alles richtig. Aber es eben in der Theorie richtig. In der Praxis ist es offenkundig im Moment nicht möglich, diese Prinzipien umzusetzen, es sei denn, man will, dass der Krieg weitergeht. Und ich glaube, wir müssen jetzt pragmatischer sein in diesen Fragen, natürlich versuchen für die Ukraine das Beste rauszuholen. Aber das Beste für die Ukraine ist, dass dieser Krieg aufhört.
Die Bedingungen werden nicht gut sein, weil natürlich die Ukraine auch militärisch leider jeden Tag weiter unter Druck gerät und die Ukraine ist dabei, diesen Krieg zu verlieren. Und wenn man einen Krieg verliert, dann kann man die Bedingungen nicht diktieren. Das ist bittere Realpolitik, schrecklich bitter, aber es gibt keine bessere Alternative. „Wunschkonzert“ hat noch nie geholfen.
SWR Aktuell: Sie sprechen von diesem Wunschkonzert der Europäer. Auf der anderen Seite sind wir hier in Europa, anders als die USA, auch sehr dicht dran am gesamten Kriegsgeschehen und keiner weiß, was passiert, wenn es jetzt zu Gebietsabtretungen der Ukraine an Russland und zu Begrenzungen der ukrainischen Armee kommt, was Wladimir Putin, der russische Präsident, dann als nächstes macht –ob er vielleicht versucht, weitere osteuropäische Staaten unter Druck zu setzen, anzugreifen, das wären dann ja immerhin NATO-Staaten. Die Lage bleibt sehr gefährlich. Wie muss sich Europa jetzt verhalten, um vielleicht doch den Krieg zu beenden, eine Perspektive zu haben, aber die eigenen Sicherheitsinteressen nicht aufs Spiel zu setzen?
Ich glaube, die Strategie Europas müsste sein, sich weiter eng an die USA anzulehnen. Das, was eigentlich alle Transatlantiker in den letzten Jahrzehnten auch gemacht haben, nur...
SWR Aktuell: Auch an diese USA von Donald Trump?
Varwick: Auch an diese USA, so würde ich das sehen, weil Europa, glaube ich, Schwierigkeiten hat, sich allein in dieser Welt zu behaupten. Es gibt nach wie vor aus meiner Sicht keinen besseren Partner als die USA, auch unter Donald Trump. Wir müssen jetzt eine Lösung versuchen in der Ukraine, an der die USA mitwirken, die auch die Ukraine akzeptiert natürlich, die aber auch letztlich die Russen akzeptieren müssen. Und die Europäer schlagen nur eine Lösung vor, die nur für die Ukraine akzeptabel ist, aber nicht für Russland. Und damit wird man keine Lösung bekommen. Wenn man sich mit den Amerikanern eng abspricht, dann sind die Chancen für eine Lösung – keine, die alle glücklich macht, aber eine Befriedung – in dieser schwierigen Frage besser, als wenn man das versucht, jetzt wie ein bockiges Kind, wenn man so will, von der Seitenlinie anzugehen. Das wird keinen Erfolg haben.
Johannes Varwick:Ich glaube, die berühmte Kuh ist noch lange nicht vom Eis. Die Interessenunterschiede sind doch sehr groß. Das gilt nicht nur für die Interessensunterschiede zwischen Russland und der Ukraine, sondern inzwischen, muss ich sagen, leider auch zwischen Europa und den USA. Es gibt sozusagen einen schmalen Raum, der jetzt einigungsfähig ist - und wie der jetzt beschritten wird, dieser Raum, das ist unklar. Besonders optimistisch, muss ich Ihnen sagen, bin ich nicht.
SWR Aktuell: Dann schauen wir uns mal den Fahrplan für die kommenden Tage, für die nächsten Wochen an. Der US-Sondergesandte Steve Witkoff soll in der kommenden Woche den russischen Präsidenten Wladimir Putin treffen. Das wurde aus Moskau bestätigt. Witkoff gilt als sehr russlandfreundlich. Wie groß schätzen Sie die Gefahr da ein, dass am Ende im Prinzip das Gleiche herauskommt, was in dem ursprünglichen 28-Punkte-Plan stand – also, dass Russland die Bedingungen für einen Frieden in der Ukraine diktiert?
Varwick: Ja, das ist wohl einer der bitteren Fragen, denen wir uns stellen müssen und denen sich auch die europäische Politik stellen muss: Ist jetzt die Stunde, wenn man so will, für eine „realpolitische Frontbegradigung“, oder kann man weiter Hoffnung und „Wunschkonzert“ machen? Und ich glaube, die Amerikaner – wenn die Amerikaner einig sind, das weiß man auch nicht so genau, da gibt es ja sehr unterschiedliche Lager, etwa zwischen Witkoff und Rubio, dem Außenminister – aber wenn sozusagen jetzt die Stunde einer „realpolitischen Frontbegradigung“ wäre, dann würde das heißen, dass man sehr bittere Pillen schlucken muss.
Die Europäer und die Ukraine machen Maximalpositionen, die Amerikaner wollen Russland entgegenkommen.Quelle: Johannes Varwick, Politikwissenschaftler, Uni Halle-Wittenberg
Aber die Amerikaner haben, glaube ich, klargemacht, dass sie drei Dinge wollen: Sie wollen erstens, dass der Krieg aufhört und zwar sehr schnell. Sie wollen, dass ein Plan entwickelt wird, der sowohl für Russland als auch für die Ukraine akzeptabel ist. Und drittens wollen sie, dass die Wahrscheinlichkeit einer Neuaufflammung des Krieges nach einer realpolitischen Lösung minimiert wird. Das sind, glaube ich, die Linien. Und wie das erreicht werden kann, das ist strittig. Die Europäer machen nach wie vor gewissermaßen Maximalpositionen an der Seite der Ukrainer, und die Amerikaner wollen Russland einen Schritt weit entgegenkommen.
Und Sie haben das gerade in ihrer Frage angedeutet: In Europa wird das mehrheitlich als Einknicken vor einem Aggressor gewertet, als das Unterzeichnen einer Kapitulationsurkunde. Die Amerikaner sehen das aber ganz anders. Das sind jetzt die Streitpunkte, um die es geht. Und da ist man noch nicht wirklich vorangekommen.
SWR Aktuell: Wie gefährlich ist diese Entwicklung, die Sie da gerade skizzieren, für die Sicherheitsinteressen hier in Europa?
Varwick: Das ist schon sehr gefährlich, in mehrfacher Hinsicht. Es wird ja jetzt zunehmend etwa von Herrn Röttgen oder Herrn Kiesewetter, also den führenden Außenpolitikern in der CDU, von einer Art „Zeitenwende 2.0“ gesprochen. Und sie meinen damit, dass jetzt angeblich klar geworden ist, dass die Amerikaner nicht mehr an der Seite Europas stehen, sondern sich quasi abwenden von europäischer Sicherheit und eine Lösung mit Russland um jeden Preis wollen. Und wenn das so wäre, dann wäre das natürlich gefährlich. Ich sehe das aber nicht ganz so. Ich sehe das eher so als den Versuch der Amerikaner, jetzt mit realpolitischem Kompass das Mögliche zu erreichen. Und die Europäer haben im Prinzip nichts Besseres zu bieten, weil – ich muss das so deutlich sagen – sie nach wie vor „Wunschkonzert “ machen und sie gewissermaßen wertegeleitet Maximalpositionen vertreten, die natürlich in der Theorie gut sind: Niemand will, dass Grenzen mit militärischer Gewalt verschoben werden. Niemand will, dass Staaten kein Recht auf freie Bündniswahl haben. Alles richtig. Aber es eben in der Theorie richtig. In der Praxis ist es offenkundig im Moment nicht möglich, diese Prinzipien umzusetzen, es sei denn, man will, dass der Krieg weitergeht. Und ich glaube, wir müssen jetzt pragmatischer sein in diesen Fragen, natürlich versuchen für die Ukraine das Beste rauszuholen. Aber das Beste für die Ukraine ist, dass dieser Krieg aufhört.
Das ist bittere Realpolitik, schrecklich bitter, aber es gibt keine bessere Alternative.Quelle: Professor Johannes Varwick, Uni Halle-Wittenberg
Die Bedingungen werden nicht gut sein, weil natürlich die Ukraine auch militärisch leider jeden Tag weiter unter Druck gerät und die Ukraine ist dabei, diesen Krieg zu verlieren. Und wenn man einen Krieg verliert, dann kann man die Bedingungen nicht diktieren. Das ist bittere Realpolitik, schrecklich bitter, aber es gibt keine bessere Alternative. „Wunschkonzert“ hat noch nie geholfen.
SWR Aktuell: Sie sprechen von diesem Wunschkonzert der Europäer. Auf der anderen Seite sind wir hier in Europa, anders als die USA, auch sehr dicht dran am gesamten Kriegsgeschehen und keiner weiß, was passiert, wenn es jetzt zu Gebietsabtretungen der Ukraine an Russland und zu Begrenzungen der ukrainischen Armee kommt, was Wladimir Putin, der russische Präsident, dann als nächstes macht –ob er vielleicht versucht, weitere osteuropäische Staaten unter Druck zu setzen, anzugreifen, das wären dann ja immerhin NATO-Staaten. Die Lage bleibt sehr gefährlich. Wie muss sich Europa jetzt verhalten, um vielleicht doch den Krieg zu beenden, eine Perspektive zu haben, aber die eigenen Sicherheitsinteressen nicht aufs Spiel zu setzen?
Ich glaube, die Strategie Europas müsste sein, sich weiter eng an die USA anzulehnen. Das, was eigentlich alle Transatlantiker in den letzten Jahrzehnten auch gemacht haben, nur...
SWR Aktuell: Auch an diese USA von Donald Trump?
Nicht wie ein bockiges Kind von der Seitenlinie angehenQuelle: Johannes Varwick, Politikwissenschaftler
Varwick: Auch an diese USA, so würde ich das sehen, weil Europa, glaube ich, Schwierigkeiten hat, sich allein in dieser Welt zu behaupten. Es gibt nach wie vor aus meiner Sicht keinen besseren Partner als die USA, auch unter Donald Trump. Wir müssen jetzt eine Lösung versuchen in der Ukraine, an der die USA mitwirken, die auch die Ukraine akzeptiert natürlich, die aber auch letztlich die Russen akzeptieren müssen. Und die Europäer schlagen nur eine Lösung vor, die nur für die Ukraine akzeptabel ist, aber nicht für Russland. Und damit wird man keine Lösung bekommen. Wenn man sich mit den Amerikanern eng abspricht, dann sind die Chancen für eine Lösung – keine, die alle glücklich macht, aber eine Befriedung – in dieser schwierigen Frage besser, als wenn man das versucht, jetzt wie ein bockiges Kind, wenn man so will, von der Seitenlinie anzugehen. Das wird keinen Erfolg haben.
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